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Rückabwicklung oder Erstattung der Wertdifferenz wegen der unrichtigen Prospektangaben – BGH, Urt. 06.02.2018, Az. II ZR 17/17 = ZIP 2018, 826 – 829

erstellt am: 29.04.18 | Aktuelle Urteile

Der Anleger kann mit dem BGH (Urt. 06.02.2018, Az. II ZR 17/17 = ZIP 2018, 826 – 829; Fortführung BGH, Urt. 03.02.2003, Az. II ZR 233/01 = DStR 2003, 1494)) die Rückabwicklung oder Erstattung der Wertdifferenz wegen der unrichtigen Prospektangaben verlangen.

Die Kläger haben sich Ende 2001 als Kommanditisten der W. GmbH & Co. KG durch Zeichnung beteiligt, zum Teil als „Kurzläufer“ (Laufzeit bis 31.12.2012 verbunden mit Abtretung und Verkauf der Beteiligung zu einem Preis von 106 % des Kommanditkapitals zum 01.01.2013 an die frühere Beklagte zu 1) und zum Teil als „Langläufer“ (auf Dauer angelegt und frühestens zum 31.12.2007 kündbar bei Abfindung nach vertraglichen Regelungen). Die Kläger verlangen von dem Beklagten zu 2) als Gründungskommanditist und der Beklagten zu 3) als Gründungskomplementärin Schadenersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne wegen unrichtiger, d.h. zu hoher Darstellung der Windertragsprognosen, die einen 10 % zu hohen Gesamtertrag zur Folge haben und den wahren Wert der Beteiligung im Zeitpunkt der Zeichnung auf weniger als 50% des Anlagebetrags absenkten, was durch Tabellen und ein Privatgutachten belegt wird.

Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Fall der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten, die gem. §§ 280, 311 Abs. 1 und 2, § 241 Abs. 2 BGB auf den Ersatz des Vertrauensschadens / „negatives Interesse“ gerichtet ist. Die Kläger als Geschädigte sind so zu stellen wie sie bei Offenbarung bzw. richtiger Darstellung  der für ihren Vertragsschluss maßgeblichen Umstände stehen würden (BGH aaO. Rn 9 = ZIP 2018, 826, 826). Dies bedeutet, dass die Kläger  die Rückabwicklung oder Erstattung der Wertdifferenz wegen der unrichtigen Prospektangaben verlangen können (BGH aaO. Rn. 8 – 13 = ZIP 2018, 826, 826f.). Diese Grundsätze des Kaufvertrags gelten auch für die Beteiligung als Kommanditist an einer KG (BGH aaO. Rn. 14 – 21 = ZIP 2018, 826, 827f.; Urt. 03.02.2003, Az. II ZR 233/01 = DStR 2003, 1494, 1495f.). Dem steht auch nicht das Wiederaufleben der Haftung gem. § 172 Abs. 4 HGB und mögliche spätere Ausschüttungen entgegen. Bei den möglichen späteren Ausschüttungen ist eine Vorteilsausgleichung wegen des fehlenden inneren Zusammenhangs ausgeschlossen. 

Die Möglichkeit der Rückabwicklung oder Erstattung der Wertdifferenz wegen der unrichtigen Prospektangaben für den Anleger ergibt sich aus Sachvortrag der Kläger ausreichend. Zwar sind Prognosen als zukunftsorientierte Information grundsätzlich ohne Gewähr durch den Prospektherausgeber, müssen dann aber sorgfältig ermittelt und aus ex-ante-Sicht vertretbar sein. Die bei den „Kurzläufer“ zugesagte Zahlung von 106 % des Kommanditkapitals ist nur dann erheblich, wenn die Wertminderung wegen der geringeren Ertragserwartungen durch die Zusage der Ablösung und Rendite wieder ausgeglichen wurde. Zwar gibt es bei den „Langläufern“ die Möglichkeit der Sonderkündigung. Wird die Sonderkündigung nicht ausgeübt, ist dies kein Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit von § 254 Abs. 2 BGB, denn mit der Möglichkeit der Erstattung der Wertdifferenz wegen der unrichtigen Prospektangaben als „kleiner Schadenersatz“ wird dem Anleger gerade das Recht eingeräumt, an der Beteiligung festzuhalten und den Minderwert erstattet zu verlangen.

Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
29. April 2018