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Vertriebsrecht 7: Stationscomputersystem der Tankstelle des Handelsvertreters als kostenlose Unterlage von § 86a HGB – LG Hamburg, Urt. 04.04.2017, 326 O 314/15 = ZVertriebsR 2018, 110 – 114

erstellt am: 22.05.18 | Aktuelle Urteile

Vertriebsrecht 7: Stationscomputersystem der Tankstelle des Handelsvertreters als kostenlose Unterlage von § 86a HGB – LG Hamburg, Urt. 04.04.2017, 326 O 314/15 = ZVertriebsR 2018, 110 – 114

Das LG Hamburg (Urt. o4.04.2017, Az. 326 O 314/15) hat das Stationscomputersystem der Tankstelle des Handelsvertreters als kostenlose Unterlage von § 86a HGB angesehen und sich im Grundsatz der Rechtsprechung des BGH (Urt. 04.05.2011, Az. VIII ZR 10/10, VIII ZR 11/10; Urt. 17.11.2016, Az. VII ZR 6/16) angeschlossen.

Handelsvertreter werden vom LG Hamburg (aaO), die eine Tankstelle betreiben, sehr genau nach dem Wortlaut des Gesetz § 86a HGB behandelt. Die unterlegene Mineralölgesellschaft (=Unternehmerin=Beklagte) hat gegen das Urteil Berufung beim OLG Hamburg, Az. 1 U 80/17 eingelegt.

Die Klägerin betrieb 4 „S“-Tankstellen als Handelsvertreterin der beklagten S. Deutschland O. GmbH in den Jahren 2010 – 2012. In den Tankstellen wurden Kraftstoffe und Waren aller Art im Shop (sog. Eigengeschäft) verkauft. Mit der Anlage 8 zum Handelsvertretervertrag 28.06./02.07.2007 mietete die klagende Handelsvertreterin das Stationscomputersystem einschließlich Datenfernübertragung bei der beklagten Mineralölgesellschaft zu 290,– € im Monat pro Tankstelle. Das Stationscomputersystem umfasst die Software für einen Büroarbeitsplatz (BOS = Back-Office-System) und einen Kassenarbeitsplatz (POS = Point of Sale), das neben für die Erfüllung der Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag erforderlichen Funktionen (Erfassung Verkaufsvorgänge im Kraftstoff- und Eigengeschäft nach Art, Menge, Preis, Steuerung der Preisauszeichnung) auch weitere Funktionen (Erstellung von Tagesabrechnungen, Umsatzsteuererklärungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen usw. ) enthält.

Das LG Hamburg (aaO.) sieht mit der Rechtsprechung des BGH  (Urt. 04.05.2011, Az. VIII ZR 10/10, VIII ZR 11/10; Urt. 17.11.2016, Az. VII ZR 6/16) die Beklagte als verpflichtet an, der Klägerin die Funktionen des Stationscomputersystem kostenlos zur Verfügung zu stellen, die zur Erfüllung der Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag erforderlich sind. Diese erforderlichen Unterlagen gem. § 86a HGB sind auch die Datenfernübertragung, da die Preisangabe ein wesentliches Werbemittel im Kraftstoffgeschäft bildet. Im Umfang der für die Erfüllung der handelsvertretervertraglichen Pflichten erforderlichen Funktionen wird das Stationscomputersystem der Tankstelle des Handelsvertreters als kostenlose Unterlage von § 86a HGB angesehen.

Die weiteren Funktionen des Stationscomputersystems (Erstellung von Tagesabrechnungen, Umsatzsteuererklärungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen usw. ) sind hingegen keine erforderlichen Unterlagen gem. § 86a HGB. Mit dem BGH (Urt. 17.11.2016, Az. VII ZR 6/16) wird die Anlage 8 über die Miete des Stationscomputersystems als teilbar angesehen. Das LG Hamburg (aaO.) nimmt für die Höhe der Miete des Stationscomputersystem, die keine erforderliche Unterlage gem. § 86a HGB und damit gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zurückzuzahlen ist, eine Abwägung zwischen dem wirksamen und unwirksamen Teil der Vergütungsabrede vor. Es wird ein Gleichgewicht der beiden Funktionalitäten wegen der großen Bedeutung der Preisauszeichnung festgestellt. Die Beklagte muss die Hälfte der Miete an die Klägerin zurückzahlen.

Die Rechtsprechung des BGH (Urt. 04.05.2011, Az. VIII ZR 10/10, VIII ZR 11/10; Urt. 17.11.2016, Az. VII ZR 6/16) findet Eingang in die Instanzen. Das LG Hamburg nimmt eine vertretbare Abwägung über die Bedeutung der Funktionalitäten des Stationscomputersystems vor.

Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
22. Mai 2018