Baurecht: Keine Erstattung von Vertragspreisen mit kalkulierten Aufwendungen bei verzögertem Zuschlag – BGH, Urt. 26.04.2018, Az. VII ZR 81/17
Der BGH ( Urt. 26.04.2018, Az. VII ZR 81/17) hat die bei größeren Bauvorhaben besonders bei öffentlichen Auftraggebern (Autobahnbau, Krankenhäuser, Tunnel) öfter auftretende Frage, ob dem bei der Ausschreibung erfolgreichen Bauunternehmen ( = Auftraggeber = AN = Klägerin) bei erheblich verzögerter Zuschlagserteilung ein Anspruch für die Wartezeit, in der der AN leistungsbereit (Vorhalten von Maschinen und Baumaterial) war zusteht. Einen Anspruch, der nach in der Ausschreibung angebotenen Preisen erhöht um kalkulierte Aufwendungen berechnet ist, wurde abgelehnt.
Die Klägerin beteiligte sich an einer 2004 begonnen Ausschreibung für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung auf der Bundesautobahn A 19 mit einem Angebot 1.076.416,75 €. Die Bieterfrist wurde mit Einverständnis der Klägerin durch die Beklagte (= Auftraggeberin = AG = Klägerin / Bundesrepublik Deutschland) mehrfach bis zum 31. März 2006 verlängert. Die Beklagte erteilte den Zuschlag/Auftrag am 30. März 2006.
Der BGH ( Urt. 26.04.2018, Az. VII ZR 81/17) sieht keine Erstattung von Vertragspreisen mit kalkulierten Aufwendungen bei verzögertem Zuschlag.
Eine Mehrvergütung gem. § 2 Abs. 5 VOB/B, die nach Rechtsprechungsgrundsätzen bei verzögertem Zuschlag möglich ist, macht die Klägerin nicht geltend. Eine Mehrvergütung gem. § 2 Abs. 5 VOB/B umfasst nur nach Vertragsschluss (Zuschlag) eingetretene veränderte vertragliche Leistungspflichten (z.B. erhöhte Materialpreise). Die Klage macht allerdings vorvertragliche Störungen der Leistung geltend.
Der klägerische Anspruch ist auch kein Schadenersatz gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1 BGB. Es wird nicht der Ersatz von konkreten Aufwendungen gefordert, die durch den langen Vergabezeitraum entstanden sind.
Der verschuldensunabhängige Entschädigungsanspruch von § 642 BGB kommt weder unmittelbar noch in entsprechender Anwendung zum tragen.
Eine unmittelbare Anwendung von § 642 BGB, der einen abgeschlossenen Vertrag voraussetzt, kommt wegen des Vertragsabschluss nach dem Zeitraum, in dem die kalkulierten Aufwendungen entstanden sind, nicht in Betracht. Gegenteiligen Ansichten der Literatur wird eine Absage erteilt.
Die entsprechende Anwendung von § 642 BGB wird abgelehnt, da es an der für eine analoge Anwendung erforderlichen vergleichbaren Interessenlage fehlt. Ohne schuldhafte Pflichtverletzung des AG kann ein solcher Anspruch nicht bestehen. Durch das Einverständnis des AN/Klägerin mit der Bindefristverlängerung liegt das Risiko der Vorhaltung von Gerät und Material bei ihr. Das Risiko bei einer Bindefristverlängerung erfolglos zu bleiben bzw. erhöhte Vorhaltekosten zu haben, ist stets gegeben und Teil der Vertragsakquise.
Der BGH (aaO.) begrenzt zu Recht unternehmerische Begehrlichkeiten beim Autobahnbau.
Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
17. Mai 2018