Versicherungsrecht 1: mehrfache Haftpflichtversicherung und Vorrang des Innenausgleich – BGH, Urt. 13.03.2018, Az. VI ZR 151/17
Der BGH (aaO.) hat am 11. Mai 2018 ein interessantes Urteil zu den Fragen der mehrfachen Haftpflichtversicherung gem. § 78 Abs. 1 Alt. 2 VVG und dem Vorrang des Innenausgleichs der Versicherer gegenüber der Inanspruchnahme des Versicherten gem. § 86 VVG veröffentlicht.
Mehr dazu in Kürze.
Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
14. Mai 2018
Das OLG Karlsruhe, Beschluss 20.09.2017, Az. 9 u 21/16 = BauR 2018, 831 – 834, erkennt keine Haftung des Installateurs bei Einbau eines Kugelhahn ohne Herstellerkennzeichen entgegen Ziff. 2.2.2. DIN 1988 Ziff. 2 .
Bei der Klägerin handelt es sich um den Gebäudeversicherer, der für erhebliche Wasserschäden an einer Wohnungen einer WEG Zahlungen geleistet hat. In der darüberliegenden Dachgeschosswohnung hat der beklagte Installateur Sanitärinstallationen ausgeführt. Am. 27.04.2007 wurde festgestellt, dass aus dem Zwei-Wege-Kugelventil mit zwei Öffnungen des Kugelhahn erhebliche Mengen Wasser austraten. Die Dichtung einer der beiden Öffnungen hatte einen Blindstopfen mit Flachdichtung, der zu diesem Zeitpunkt undicht war. Die Klägerin verlangt aus übergegangenem Recht (§ 86 VVG) die Erstattung der an die Eigentümer der unteren Wohnung geleisteten Zahlungen.
Das OLG Karlsruhe (aaO.) erteilt den Hinweis, dass es die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil für erfolglos hält.
Mit dem BGH (Urt. 18.09.1984, Az. VI ZR 51/83 = NJW 1985, 194 = BauR 1985, 102; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rn 2350 Fn. 8) sieht das OLG Karlsruhe (aaO.) einen möglichen Schadenersatzanspruch in § 823 Abs. 1 BGB.
Der Einbau eines Kugelhahn, der entgegen Ziffer 2.2.2. DIN 1988 Teil 2 kein Herstellerkennzeichen trägt, löst keine Haftung des Installateurs bei Einbau eines Kugelhahn ohne Herstellerkennzeichen aus (OLG Karlsruhe aaO. BauR 2018, 831, 832). Es fehlt der Rechtswidrigkeitszusammenhang, denn das Herstellerkennzeichen dient allein dazu, den Hersteller verantwortlich machen zu können, was auch das Verständnis der Herstellerzeichen für das Produktsicherheitsgesetz und Edelmetallarbeiten ist (OLG Köln, Urt. 20.02.2015, Az. 6 U118/14; EuGH, Urt. 21.06.2001, Az. C-30/99; OLG Hamm, Urt. 04.09.2014, Az. 4 U 77/14). Das fehlende Herstellerkennzeichen war auch nicht kausal für den Schaden.
Das OLG Karlsruhe (aaO. BauR 2018, 831, 832 f.) lehnt auch eine Pflicht des Installateurs ab, nur ein Bauteil zu verwenden, das das Zeichen einer anerkannten Prüfstelle aufweist. Dies ergibt sich nicht Ziffer 2.2.1. DIN 1988 Teil 2.
Es gibt keine Haftung des Installateurs bei Einbau eines Kugelhahn ohne Herstellerkennzeichen auch, weil den Installateur keine Verantwortung für den Einbau einer ungeeigneten Dichtung in den Kugelhahn trifft. Nach den Ausführungen des Sachverständigen konnte der Installateur mit der einzig geschuldeten Sichtprüfung den Fehler der Dichtung nicht erkennen. Zudem ist die ungeeignete Dichtung nicht die einzige Schadenursache gewesen. Auch hat die beweisbelastete klagende Gebäudeversicherung nicht nachgewiesen, dass der Installateur nicht die geforderte Druckprüfung vorgenommen hat (OLG Karlsruhe aaO. BauR 2018, 831, 833 f.).
Das OLG Karlsruhe (aaO.) hat zu Recht keine Haftung des Installateurs bei Einbau eines Kugelhahn ohne Herstellerkennzeichen ausgesprochen. Zwar sind die Zahlungen der Gebäudeversicherung erheblich, aber ein fehlendes Herstellerkennzeichen hat nicht zum Wasserschaden geführt. Es gibt mehrere weitere Ursachen. Den Installateur mit diesem Risiko zu belasten, wäre unbillig, da er ordentlich gearbeitet hat und würde seine Versicherungsprämien spürbar erhöhen.
Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
02. Mai 2018
Das OLG Düsseldorf (Beschl. 12.07.201, Az. I-4 U 61/17 = VersR 2018, 217) hatte die eher seltene Gelegenheit zu der Inanspruchnahme und vorsorgliche Meldung bei der E&O-Versicherung (= error & omission) Stellung zu nehmen, da es zu dieser Form der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung wenige Entscheidungen gibt.
Die verbliebenen Kläger zu 1) – 3) sind Kapitalanleger, die sich in 2005 auf Vermittlung der Fa. E an zwei Schiffsfonds mit einem Gesamtbetrag von 130.000,– € beteiligten. Die Fa. E. hatte bei der beklagten Versicherung eine kombinierte D&O- und E&O-Versicherung abgeschlossen, die nach dem Claims-made-Prinzip eine erstmalige schriftliche Inanspruchnahme für die Versicherungsperiode 01.09.2007, 12:00 Uhr mittags – 01.09.2009, 12:00 Uhr mittags abdeckte und eine Nachmeldung von 12 Monaten, d.h. bis zum 01.09.2010, 12:00 Uhr mittags in den Versicherungsbedingungen enthielt. Versicherte Person gem. § 43 VVG waren die Fa. E. und die beiden Schiffsfonds. Aus den Versicherungsbedingungen ergab sich bei aufmerksamer Lektüre für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer weiter, dass von der Nachmeldefrist nur solche Inanspruchnahmen erfasst sind, die den versicherten Zeitraum betreffen. Die Fa. E. geriet in Insolvenz, deren Insolvenzverwalter der Kläger zu 5) ist. Der Kl. zu 5) meldete für vier weitere Anleger, die sich gleichfalls an den beiden Schiffsfonds in 2005 beteiligten, in die auch die Kl. zu 1) – 3) investiert hatten, im März 2010 bei der Beklagten Ansprüche an. In den Inanspruchnahmen wird erstmalig auch auf Währungssicherungsgeschäfte abgestellt, die zu einem nicht prospektierten Sondergewinn der Schiffsfonds führten, den die Fa. E vereinnahmte.
Sowohl die Kl. zu 1) – 3) als auch die vier weiteren Anleger klagten gegen die Fa. E. auf Rückabwicklung bzw. Schadenersatz wegen der Beteiligung an den beiden Schiffsfonds. Für die Kl. zu 1) – 3) liegen wegen der Insolvenz der Fa. E. noch keine rechtskräftigen Entscheidungen vor. Die vier weiteren Anleger haben rechtskräftige Berufungsurteile. Zudem meldeten die Kl. zu 1) – 3) sowie die weiteren vier Anleger ihre Ansprüche zur Insolvenztabelle an. Die Kl. zu 1) – 3) meldeten im Dezember 2013 ihre Ansprüche bei der Beklagten an. Einen von der Beklagten angebotenen Vergleich von 10 % – 20% der zur Insolvenztabelle angemeldeten Hauptforderung, den viele andere Anspruchsteller annahmen, lehnten die Kl. zu 1) – 3) ab.
Das OLG Düsseldorf (aaO.) bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts.
Die Inanspruchnahme und vorsorgliche Meldung bei der E&O-Versicherung behandelt das OLG Düsseldorf (aaO.) zutreffend nach der BGH- Rechtsprechung (BGH, Urt. 17.09.2003, Az. IV ZR 19/03 = VersR 2003, 1389).
Es wird geklärt, dass die von den Kl. zu 1) – 3) in Bezug genommene rechtzeitige Anspruchsanmeldung noch eines anderen Anlegers, der nicht zu den weiteren vier Anlegern gehört, nicht als Inanspruchnahme wegen eines Prospektfehlers für sämtliche anderen Anleger anzusehen ist (OLG Düsseldorf VersR 2018, 217, 219).
Weiter kann eine erstmalige schriftliche Inanspruchnahme nur dann als vorsorgliche Inanspruchnahme nach den Versicherungsbedingungen angesehen werden, wenn ein Sachverhalt geschildert wird, der nicht nur eine Pflichtverletzung enthält sondern auch Angaben gemacht werden, gegenüber wem die Pflicht verletzt worden ist (OLG Düsseldorf VersR 2018, 217, 219).
Die Bezugnahme auf die rechtzeitige Anspruchsanmeldung des anderen Anlegers führt auch nicht als Schaden nach der Serienschadenklausel für die Kl. zu 1) – 3) zum Erfolg. Es fehlt an dem erforderlichen rechtlichen Zusammenhang der einzelnen Anlagegeschäfte. Der vom BGH (VersR 2003, 1389) wirtschaftliche Zusammenhang besteht gleichfalls nicht, denn es liegt keine „Schicksalsgemeinschaft“ vor. Der Anwendung der Serienschadenklausel steht schließlich ihre Funktion als Risikobegrenzungsklausel für den Versicherer entgegen.
Für die vom Kl. zu 5) für die vier weiteren Anleger eingeklagten Ansprüche bleibt der Erfolg genauso versagt.
Zwar erfolgte die Inanspruchnahme der beklagten Versicherung noch innerhalb der Nachmeldefrist, jedoch lag der Pflichtenverstoß bei Abschluss der Beitrittsverträge in 2005 nicht im versicherten Zeitraum 01.09.2007 – 01.09.2009, was sich aus den Versicherungsbedingungen ergibt. Eine Treuwidrigkeit ist auch nicht darin zu sehen, dass die beklagte Versicherung dem Kl. zu 5) für die Ansprüche der vier weiteren Anleger Deckungsschutz in Form der Abwehrhilfe gewährleistet hat. Auch wenn Abwehrhilfe und Erbringung der versicherungsvertraglichen Leistung Teil des einheitlichen versicherungsrechtlichen Deckungsanspruchs sind, kann die Entscheidung über Abwehrhilfe und versicherungsvertragliche Leistung unterschiedlich ausfallen. Trotz Versagung der versicherungsvertraglichen Leistung kann Abwehrhilfe aus Kulanz oder wegen Unsicherheit über das Bestehen des Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers gewährt werden.
Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
15.06.2018