Der BGH ( Urt. 20.02.2018, Az. XI ZR 445/17 = ZIP 2018, 821) hat zum gewerblicher Darlehnsvertrag und Vorfälligkeitsentschädigung die Voraussetzungen für einen gewerblichen Kreditvertrag gem. §§ § 492, 497 BGB a.F. (bis zum 10.06.2010 gem. Art. 229 § 22 Abs. 2, 38 EGBGB) präzisiert und Vorgaben zum Zeitpunkt der Vorfälligkeitsentschädigung gemacht.
Es klagt die Nachlassverwalterin des B., der gemeinsam mit N. Eigentümer mehrerer Grundstücke war. Die Grundstücke waren mit einem Wohn- und Gaststättengebäude, einem Apartmenthaus mit zwölf Wohnungen, einem Mehrfamilienhaus mit sechs fremdvermieteten Wohnungen und einem Einfamilienhaus nebst Scheune bebaut. Der Komplex wurde von der B&N GbR sowie der Grundstücksgemeinschaft B&N betrieben. Zur Finanzierung hatten B. und N. bei der beklagten Bank vier Darlehn (zwei Darlehn vom 13.02.2007 über 410.000 € und 390.000 € Endnummern 87 u. 88; vom 05.07.2007 über 610.000 € Endnummer 89; vom 25.03/01.04.2009 über 198.000 € Endnummer 90) aufgenommen. Die Beklagte kündigte mit Schreiben 22.02.2012 das Darlehn Endnummer 89 außerordentlich wegen Zahlungsverzugs und verlangte Verzugszinsen von 2,5% über Basiszinssatz auf die offene Darlehnsforderung sowie einen Refinanzierungsschaden von 104.242,52 €. Am 05.04.2012 kündigte die Beklagte schriftlich die weiteren Darlehn außerordentlich wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse und forderte Verzugszinsen von 5% über Basiszinssatz sowie Refinanzierungsschäden von 61.108,77 € (Endnummer 87), 59.913,93 € (Endnummer 88) und 20.437,96 € (Endnummer 90). Die grundschuldbesicherten Immobilien wurden im von der Beklagten betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren im September 2015 verkauft. Vom Kaufpreis behielt die Beklagte neben den Verzugszinsen für den Zeitraum zwischen den Kündigung und der Rückführung der Darlehnsvaluta auch 245.703,18 € zum Ausgleich der Refinanzierungsschäden ein. Die Refinanzierungsschäden wurden nach den Wiederanlagezinsen abgezinst auf das Datum der Wirksamkeit der Kündigungen berechnet. Die Klägerin verlangt den als Vorfälligkeitsentschädigung einbehaltenen Betrag von 245.703,18 €.
Der BGH (aaO.) macht zum gewerblicher Darlehnsvertrag und Vorfälligkeitsentschädigung interessante Ausführungen:
Zuerst wird festgestellt, dass die Kündigung der Darlehn im Schreiben 05.04.2012 wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse sich als Folge der Darlehnskündigung vom 22.02.2012 mit ergebnislosen Fristablauf und fortbestehenden Zahlungsverzug der Darlehnsnehmer darstellt. Die schuldhafte Verletzung der Zahlungspflicht des Darlehns Endnummer 89 ist damit adäquat kausal für die Kündigung der anderen Darlehnsverträge und führt zu einem inneren Zusammenhang zwischen der Kündigung 05.04.2012 und dem Zahlungsverzug.
Da eine Vorfälligkeitsentschädigung bei Verbrauchern gem. § 497 BGB a.F. nicht in Betracht kommt, muss ein gewerblicher Darlehnsvertrag gegeben sein, damit die beklagte Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen kann. Auch ein Verbraucher kann private Vermögensverwaltung, zu der auch Darlehnsaufnahme für den Immobilienerwerb gehört, betreiben. Ausschlaggebend für die Abgrenzung der privaten von der berufsmäßigen Vermögensverwaltung ist der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Ist ein planmäßiger Geschäftsbetrieb erforderlich wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder Organisation, liegt eine gewerbliche Betätigung vor (BGH aaO. Rn. 21 – 27 = ZIP 2018, 821, 823f.; BGHZ 149,80, 86= ZIP 2001, 2224). Der BGH (aaO.) stellt auf den Umfang der mit der Immobilienverwaltung verbunden Tätigkeit ab, die wegen der Vielzahl der Wohnungen, Gewerbeobjekte und Vertragsverhältnisse als hoch angesehen wird. Auch das Verlangen eines Verzugszinssatz von 2,5% über Basiszins für Verbraucherdarlehnsverträge (§ 497 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) im Kündigungsschreiben 22.02.2012 ändert daran nichts.
Der BGH (aaO. Rn. 28 – 32 = ZIP 2018, 821, 824f.) eröffnet der Bank zwei Zeitpunkte, auf die die Abzinsung erfolgen kann: Bei der vorzeitigen außerordentlichen Kündigung des Darlehnsvertrags wegen Zahlungsverzugs ist dies nicht nur der Zeitpunkt der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung sondern es kommt auch der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung in Betracht.
Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ist Rechtsprechung des Senats (zuletzt BGH Urt. 20.12.2005, Az. XI ZR 66/05 = WM 2006, 429, 432), die sich aus dem allgemeinen Grundsatz des Schadensrecht ergibt (BGH Urt. 17.10.2006, Az. VI ZR 249/05 = BGHZ 169, 263 Rn. 16).
Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung folgt aus der nach § 281 Abs. 1 BGB möglichen Umwandlung des Leistungsanspruchs in einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Der BGH (aaO. Rn. 31 = ZIP 2018, 821, 824) stützt sich auf umfangreiche Literatur und Rechtsprechung.
Schließlich wird zu der von der beklagten Bank gewählten Aktiv-Passiv-Methode für die Vorfälligkeitsentschädigung gerügt (BGH aaO. Rn. 38 = ZIP 2018, 821, 825), dass die restliche Darlehnsvaluta und die entgangenen Zinszahlungen gefordert werden, was unzulässig ist. Erforderlich ist, dass der Berechnung (=Abzinsung) alle nach der Wirksamkeit der Kündigung noch fälligen Tilgungs- und Zinszahlungen (=künftiger Zahlungsstrom) zugrunde zu legen sind. Daher war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Gründe des BGH (aaO.) zum gewerblicher Darlehnsvertrag und Vorfälligkeitsentschädigung geben dem Urteil Gewicht.
Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
28. April 2018