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Keine Haftung der Ratingagentur nach Art. 35a RatingVO und §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3, 826, 823 Abs. 2 BGB – OLG Düsseldorf, Urt. 08.02.2018, Az. I-6 U 50/17 = WM 2018, 801 – 805

erstellt am: 30.04.18 | Aktuelle Urteile

Keine Haftung der Ratingagentur nach Art. 35a RatingVO und §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3, 826, 823 Abs. 2 BGB BGB der Ratingagentur für ein Rating, das sich auf die Emittentin und nicht auf  die erworbene Anleihe bezieht, urteilt das OLG Düsseldorf, Urt. 08.02.2018, Az. I-6 U 50/17 = WM 2018, 801 – 805.

Die Klägerin hat Anleihen der M.T. AG am 22.01.2014 erworben. Die beklagte Ratingagentur hatte am 16.09.2013 ein Rating erstellt, das sich auf die M.T. AG bezieht, jedoch nicht auf die am 22.01.2014 erworbenen Anleihen.

Das OLG Düsseldorf (aaO.) sieht keine Haftung der Ratingagentur nach Art. 35a RatingVO und §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3, 826, 823 Abs. 2 BGB BGB.

Ein wenig unklar bleiben die Ausführungen zum zeitlichen Geltungsbereich von Art. 35a Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in der ab dem 20.06.2013 geltenden Fassung der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 (RatingVO).  

Ausführlich nimmt das OLG Düsseldorf (aaO. = WM 2018, 801, 801 f.) zur Ablehnung des persönlichen Anwendungsbereich Stellung. Nach Art. 288 Abs. 2 AEUV wird die Methodik der europäisch-autonomen Auslegung unter Heranziehung des Grundsatz des effet utile gewählt. Der Vergleich des Wortlaut von Art. 35a Abs. 1 Satz 2 und 3 RatingVO zeigt nach grammatikalischer und systematischer Auslegung, dass Art. 35a Abs. 1 Satz 2 RatingVO Ansprüche dem Emittenten und Art. 35a Abs. 1 Satz 3 RatingVO Ansprüche dem Anlegers gewährt, die unterschiedlich weitreichen. Dies zeigt auch die Entststehungsgeschichte von Art. 35a Abs. 1 Satz 1, 2 RatingVO, die sich in den Erwägungsgründen (31) und (32) zeigt (OLG Düsseldorf aaO. = WM 2018, 801, 802).

Nach nationalem (deutschen) Recht wird eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter unter Anschließung an die überwiegende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung (OLG Düsseldorf aaO. = WM 2018, 801, 803) abgelehnt, denn es fehlt am Merkmal der Leistungsnähe der Kläger als Anleger. Die Ratings dienten nicht der Bewertung der Anleihen. Das OLG Düsseldorf (aaO. = WM 2018, 801, 803f.) lehnt ein berechtigtes Interesse der Emittentin (M.T. AG) an der Einbeziehung der Kläger als Kunden in den Schutzbereich des Ratingvertrags ab. Dem Unternehmensrating fehlt trotz möglicher gegenläufiger Interessen die unmittelbare Verwendung  für die Erlangung des Kaufpreis. Es liegt bei der Vielzahl von Interessenten der Anleihen kein abgrenzbarer Personenkreis mehr vor, was das Risiko nicht mehr kalkulierbar und versicherbar macht.

Der Haftung aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB steht in der Fallgruppe Expertenhaftung entgegen, dass eine besonders schwerwiegende Verletzung der den Experten treffenden Sorgfaltspflichten vorliegen muss. Das Vorbringen der Kläger zeigt keinen subjektiv verwerflichen Gesamtcharakter der Mängel des Ratings (OLG Düsseldorf aaO. = WM 2018, 801, 804 f.).

Mit den Ausführungen zum Anspruchsinhalt von Art. 35a Abs. 1 Satz 2, 3 RatingVO stellt diese kein Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB dar. Eine Expertenhaftung aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB ergibt sich nicht, da die Unternehmensratings der Beklagten kein Vertrauen auf eine zusätzliche Gewähr an Sicherheit und Werthaltigkeit boten.

Der Grundsatz “ Keine Haftung der Ratingagentur nach Art. 35a RatingVO und §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3, 826, 823 Abs. 2 BGB “ im Urteil zeigt die Schwierigkeiten der (vertraglichen) Dritthaftung. Die erheblichen finanziellen Risiken für Ratingagenturen, die für ein Funktionieren von liquiden und organisierten Finanz- und Kapitalmärkten unerläßlich sind, bedürfen einer präziser konturierten Rechtsprechung zur Haftung von Ratings, die sich schon nach kurzer Zeit als stark fehlerhaft erweisen. Insbesondere das Merkmal der Gegenläufigkeit von Interessen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer einer Leistung, deren Sinn in der Zurverfügungstellung einer Vielzahl Dritter liegt, ist sehr eng gefasst. Es findet keine Auseinandersetzung mit der Tatsache statt, dass sich Auftraggeber und Auftragnehmer zu Lasten der Vielzahl Dritter einigen können, die über die Begebungskosten der Anleihe die Gebühren der Ratingagentur zahlen.

 

Andreas Hoffman
Rechtsanwalt
30. April 2018