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Vertriebsrecht 3: Haftung des Unternehmers durch Veruntreuung des Handelsvertreters – OLG Köln, Urt. 12.05.2017, Az 19 U 84/16 = VersR 2018, 550 – 552

erstellt am: 12.05.18 | Aktuelle Urteile

Vertriebsrecht 3: Haftung des Unternehmers durch Veruntreuung des Handelsvertreters – OLG Köln, Urt. 12.05.2017, Az 19 U 84/16 = VersR 2018, 550 – 552

Das OLG Köln lehnt die Haftung des Unternehmers durch Veruntreuung des Handelsvertreters  für den Fall ab, dass der Unternehmer/Geschäftsherr (=Beklagte) das vom Handelsvertreter vermittelte Anlageprodukt sich deutlich von den Geldanlageprodukten des Unternehmers unterscheiden.

Der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann, dessen Alleinerbin sie ist, wurden vom vormaligen Handelsvertreter (= Zeugen X) der Beklagten, die Versicherungsverträge, Kapitalanlagen, Bausparverträge und Finanzdienstleistungen vermittelt, betreut. Ab 2008 vermittelte der Handelsvertreter/Zeuge X angebliche Festgeldanlagen mit Zinsen von bis zu 12% und nahm die Anlagebeträge in Empfang, ohne sie an die Beklagte weiterzuleiten. Der Handelsvertreter ließ die Klägerin und ihren Ehemann Vertragsdokumente unterschreiben, die zwar das Logo der Beklagten enthielten, jedoch die Beklagte nicht als Vertragspartnerin nannten. Die Klägerin, ihr Ehemann und deren Tochter wussten, dass der Handelsvertreter keine Inkassovollmacht für die Beklagte hatte. Der Zeuge X erstattete am 30.07.2014 Selbstanzeige und gab an, 68 Personen um 3,6 Mio € geschädigt zu haben. Der Zeuge X ist insolvent. Die Klägerin verlangt Zahlung von 190.729,– €.

Das LG hat die Klage abgewiesen und auch die Berufung blieb ohne Erfolg.

Eine vertragliche Haftung lehnt das OLG Köln (aaO. VersR 2018, 550, 551) ab. Die Klägerin erkannte, dass der Handelsvertreter an der Beklagten „vorbei arbeitete“ und keine Inkassovollmacht hatte. Auch waren die Festgeldzinssätze von 8 % – 12 % schon in 2008 so ungewöhnlich hoch, dass die Klägerin nicht von einem Vertrag zur Beklagten ausgehen konnte. Duldungs- oder Anscheinsvollmacht lagen nicht vor.

Ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB wegen fehlender Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin durch die Beklagte wird vom OLG Köln (aaO. VersR 2018,  550, 551 f.) verneint, da die Auswahl und Überwachung des Handelsvertreters/Zeugen X ausreichten. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (Urt. 11.07.2013, Az. III ZR 31/12 = NJW-RR 2013, 1513; Urt. 15.03.2012, Az. III ZR ZR 148/11 = VersR 2012, 722 = MDR 2012, 644) haftet der Unternehmer als Geschäftsherr für das eigenmächtige Verhalten seines Gehilfen Handelsvertreter nicht, wenn dessen Verfehlung vom übertragenen Aufgabenkreis soweit entfernt ist, dass kein innerer Zusammenhang besteht. Am inneren Zusammenhang fehlt es ähnlich wie OLG Hamm (Urt. 27.07.2004, Az. 4 U 63/04 = VersR 2005, 104), denn die Umstände des Vertragsschluss der Klägerin waren für diese bekanntermaßen ungewöhnlich.

Das OLG Köln (aaO. VersR 2018, 550, 552) erkennt auch keine Repräsentantenhaftung analog §§ 30, 31 BGB an, da es an der erforderlichen Beschlussvollmacht fehlt.

Abschließend wird eine deliktische Haftung als Verrichtungsgehilfe gem. § 831 BGB für den Handelsvertreter durch die Beklagte abgelehnt (OLG Köln aaO. VersR 2018, 550, 552; BGH Urt. 11.07.2013, Az. III ZR 31/12 = NJW-RR 2013, 1513), weil der zwischen dem Zeugen X und der Beklagten geschlossene Vertriebspartnervertrag keine Abhängigkeit des Zeugen X begründet. Außerdem trifft die Beklagte kein Auswahl- und Überwachungsverschulden.

Die Ablehnung der Haftung des Unternehmers durch Veruntreuung des Handelsvertreters durch das OLG Köln (aaO.) erfolgt gut begründet und bestätigt die BGH-Rechtsprechung. Über den Einzelfall hinaus weist die Ablehnung der deliktischen Haftung gem. § 831 BGB. 

Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
12. Mai 2018