Das OLG Karlsruhe ( Urt. 14.07.2017, Az. 9 U 9/15 = IHR 2018, 81 – 86) sieht die Verweigerung des Buchauszugs als wichtigen Grund für die Kündigung des Handelsvertreters und gibt einen Überblick der Rechtsprechungsgrundsätze zur Berechnung des Ausgleichanspruchs gem. § 89b HGB (a.F.).
Die Klägerin ist eine Handelsvertreterin für Industrieprodukte und macht u.a. den Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB (in der bis zum 04.08.2009 gültigen Fassung) gegen den Unternehmer (= Beklagte) , der elektronische Komponenten für die Nachrichten- und Satellitentechnik herstellt, geltend.
Die Rechtsvorgänger von Klägerin und Beklagter haben am 01.04.1993 einen Handelsvertretervertrag geschlossen, der Klägerin u.a. auch Provisionsansprüche für direkt mit der Unternehmerin im Vertretungsgebiet abgeschlossene Geschäfte gewährt. Ausgenommen waren OEM-Kunden. Die Beklagte verschwieg der Klägerin erhebliche Umsätze mit einem Grßkunden im klägerischen Vertragsgebiet.
In 2008 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der klagenden Handelsvertreterin und der beklagten Unternehmerin, die einigen Anwaltsschreiben führten. Mit Anwaltsschreiben vom 07.08.2008 rügte die Klägerin unzutreffende Provisionsabrechnungen und forderte die Beklagte zur Erstellung eines Buchauszugs für „über die während der Vertragslaufzeit … getätigten Geschäfte“ auf. Die Beklagte bat schriftlich um Fristverlängerung bis zum 31.08.2008. Mit Schreiben 31.08.2008 stellte sich die Beklagte auf den Standpunkt, der Anspruch der Klägerin auf Buchauszug sei durch sie bereits erteilten Provisionsabrechnungen bereits erloschen. Die Klägerin forderte mit Schreiben 7.11.2008 unter Fristsetzung bis zum 14.11.2008 erneut zur Erteilung des Buchauszugs auf. Im weiteren Schreiben 14.11.2008 wiederholte die Beklagte die Weigerung, einen Buchauszug zu erteilen. Im Anwaltsschreiben 18.11.2008 erklärte die Klägerin die „außerordentliche und fristlose Kündigung “ des Handelsvertretervertrags.
Das OLG Karlsruhe (IHR 2018, 81, 83) sieht die Verweigerung des Buchauszugs als wichtigen Grund für die Kündigung des Handelsvertreters, da die Beklagte um ihre Verpflichtung zur Erteilung des Buchauszugs durch die verschwiegenen Umsätze wusste und diese für die Klägerin von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung waren. Damit ist der Ausgleichsanspruch der Klägerin nicht gem. § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB a.F. weggefallen.
Das OLG Karlsruhe (IHR 2018, 81, 84 – 86) berechnet den Ausgleichsanspruch unter Darlegung der Rechtsprechungsgrundsätze minutiös.
Es verweist auf den BGH (NJW 1996, 2302, 2304; NJW-RR 2002, 1548, 1551) und die Literatur (von Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, 3. Aufl., 2010, § 89b HGB Rn. 62), wonach an die „Werbung“ eines neuen Kunden gem. § 89b Abs. 1 Ziff. 1 HGB a.F. nur geringe Anforderungen zustellen sind (Mitursächlichkeit ausreichend) und ein Anscheinsbeweis besteht für die Werbung besteht, wenn das erste Geschäft des Unternehmers (hier: Beklagte) während der Vertragszeit des Handelsvertreters (hier: Klägerin) abgeschlossen wurde.
Es wird der Verwaltungskostenanteil behandelt (OLG Karlsruhe IHR 2018, 81, 85), die Abwanderungsquote bestimmt (OLG Karlsruhe aaO.), die Abzinsung nach der Mezhode Gillardon vorgenommen (OLG Karlsruhe aaO.) und ausgesprochen, dass auf den Ausgleich Mehrwertsteuer zu bezahlen ist (OLG Karlsruhe aaO.).
Der Billigkeitsabschlag gem. § § 89b Abs. 1 Ziff. 3 HGB a.F. wird nach der Sogwirkung der Marke mit 15 % angesetzt und berücksichtigt, dass kostenaufwändige Werbe- und Vertriebsaufwendungen der Beklagten nicht bestehen. Dabei wird ein Überblick zur Rechtsprechung des BGH (NJW 1996, 3202; NJW-RR 2002, 1548, 1553f.; 2003, 1340; 2010, 1550 = IHR 2011, 15; NJW 2011, 2438) gegeben (OLG Karlsruhe aaO.).
Die Interessen der Handelsvertreter werden denen der Unternehmer ausgewogen gegenüber gestellt. Die Verweigerung des Buchauszugs als wichtigen Grund für die Kündigung des Handelsvertreters wird gut begründet, da Täuschung stets eine schwere Belastung des Handelsvertreterverhältnis bildet.
Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
24. April 2018