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Bau- und Architektenrecht 2: mündliche Gerichtsstandsvereinbarung als Handelsbrauch gem. Art. 25 Abs. 1 Satz 3 c), Abs. 2 Brüssel-Ia-VO = VO (EU) Nr. 1215/2012 – BGH, Urt. 26.04.2018, Az. VII ZR 139/17

erstellt am: 31.05.18 | Aktuelle Urteile

Bau- und Architektenrecht 2: mündliche Gerichtsstandsvereinbarung als Handelsbrauch gem. Art. 25 Abs. 1 Satz 3 c), Abs. 2 Brüssel-Ia-VO = VO (EU) Nr. 1215/2012 – BGH, Urt. 26.04.2018, Az. VII ZR 139/17

Der BGH (Urt. 26.04.2018, Az. VII ZR 139/17) hat in einem Sachverhalt aus dem Anlagenbau einen auch im Baubereich häufig vorkommenden Fall von Leistungserbringung durch ein in einem EU-Staat ansässiges Unternehmen in einem anderen EU-Staat entschieden: Die mündliche Gerichtsstandsvereinbarung als Handelsbrauch gem. Art. 25 Abs. 1 Satz 3 c), Abs. 2 Brüssel-Ia-VO ist möglich.

Das beklagte österreichische Unternehmen hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin (deutsches Unternehmen) mit dem Abbau der gebrauchten Maschinen in der BRD, dem Transport nach Österreich sowie dem Wiederaufbau der Maschinen am Sitz der Beklagten (Demontage und Remontage) mit Angebot vom 16. Juli 2014 beauftragt, das u.a. folgendes vorsah: 

„X.Montageeckdaten:
Montagebeginn: nach Absprache
Erfüllungsort/Land: S., R. / Deutschland, Österreich
 
XI. Sonstige Vereinbarungen:
Auf das Rechtsverhältnis zwischen P. [Anm.: Klägerin] und dem Auftraggeber oder zwischen P. und Dritten findet ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung, sowie es zwischen deutschen Kaufleuten gilt.
 
Die Anwendung der Vorschrift über den internationalen Warenkauf CISG  – Wiener UN-Kaufrecht und des Deutschen Internationalen Privatrechts werden ausdrücklich ausgeschlossen.
Als Gerichtsstand ist Nürnberg vereinbart.“
 
Die dem Angebot beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:
 
„X. Gerichtsstand, Recht, Salvatorische Klausel
1.
Ist der Besteller Vollkaufmann, ist bei allen aus dem Vertragsverhältnis mittelbar oder unmittelbar sich ergebenden Streitigkeiten Nürnberg alleiniger Gerichtsstand.
2. Für die vertraglichen Beziehungen gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland.
 
3. …
Die Beklagte nahm das per email übersandte Angebot vom 16. Juli 2014 der Klägerin mündlich an. Die  Einreichung der Klage am 7. Oktober 2015 auf restliche Vergütung von 154.940,– € erfolgte seit der bereits ab dem 10. Januar 2015 geltenden Brüssel-Ia-VO (= VO (EU) Nr. 1215/2012).
 
Der BGH (aaO.) beschäftigt sich zunächst genau mit den einzelnen Alternativen Art. 25 Abs. 1 Satz 3 Brüssel-Ia-VO, die wegen des Vorrangs von Artt. 4, 7 Brüssel-Ia-VO eng zu verstehen sind und den Zweck haben, aus Gründen der Rechtssicherheit eine eindeutige Bestimmung des zuständigen Gerichts zu ermöglichen. Die Voraussetzungen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 25 Abs. 1 Satz 3 a) u. b) Brüssel-Ia-VO werden verneint. Eine wirksame mündliche Gerichtsstandsvereinbarung als Handelsbrauch gem. Art. 25 Abs. 1 Satz 3 c) Brüssel-Ia-VO wird nach dem Sachvortrag der Klägerin als möglich angesehen. Da das Berufungsgericht dies verfahrensfehlerhaft abgelehnt hat, wird die Sache zur weiteren Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
 
Der BGH (aaO.) gibt umfangreiche Hinweise, wie die Sache weiter zu behandeln ist (sog. Segelanweisung). Diese Ausführungen sind interessant, weil herausgearbeitet wird, dass trotz der von den Vertragsparteien getroffenen Rechtswahl nach Art. 3 Rom I (= VO (EG) Nr. 593/2008 v. 17.06.208 ABl. EU Nr. L 177, S. 6; ber. Nr. L 309, S. 87) die Gerichtsstandsvereinbarung unberührt bleibt. Die Wirksamkeit der Gerichtsstandsbestimmung für das angerufene deutsche Landgericht gem. Art. 7 Nr. 1 Buchst. b) zweiter Gedankenstrich Brüssel-Ia-VO ist nicht gegeben, da sich aus dem Vertrag der Ort der Remontage, der in Österreich liegt, als Erfüllungsort ergibt. Ziffer X. des Vertragsangebots 16. Juli 2014 führt auch nicht zu einer internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte, denn aus Ziffer X. ergeben sich zwei unterschiedliche Erfüllungsorte, was eine Gerichtsstandsvereinbarung  nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b) zweiter Gedankenstrich Brüssel-Ia-VO auf Grundlage der Zahlungsverpflichtung als Gegenleistung ausscheiden läßt. Art. 7 Nr. 1 Buchst. a) Brüssel-Ia-VO begründet die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts ebenfalls nicht, weil der Erfüllungsort für die Vergütung durch die Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO nach §§ 270 Abs. 4, 269 BGB bei der Beklagten als Schuldnerin in Österreich liegt.
 
Das Urteil hat nicht nur in Grenzgebieten sondern wegen des Einsatz vieler Bauunternehmen aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten der EU in der Bundesrepublik erhebliche Bedeutung. Die teilweise nur mündlich, häufig nur mit schlechten und wenig sachkundig formulierten Formularen abgeschlossenen Verträge im Bauwesen führen zu langwierigen Rechtsstreiten mit völlig unerwarteten Gerichtsbarkeiten. Den Auftraggebern in der Bundesrepublik wurde rechtsgestalterische Bedarf vor Augen geführt.
 
Andreas Hoffmann
Rechtsanwalt
31. Mai 2018